Das Konsumverhalten der deutschen Bevölkerung und darüber hinaus auch das der Weltbevölkerung berücksichtigt bislang nur unzureichend die planetaren Belastbarkeitsgrenzen der Erde (Die Bundesregierung 2021, 286). So sind die kritischen Werte des Biodiversitätsverlusts, des Klimawandels und des menschlichen Eingriffs in den Stickstoffkreislauf bereits überschritten (Paulini u. a. 2017). Der Lebensmittelkonsum ist dabei einer der größten Treiber. Die weltweiten Lebensmittelsysteme sind für etwa 24% der globalen Treibhausgasemissionen, etwa 60% des weltweiten Verlusts an terrestrischer biologischer Vielfalt und etwa 33 % der mäßig bis starken Schädigung der Böden aufgrund von Erosion, Nährstoffverarmung, Versauerung, Versalzung, Verdichtung und chemischer Verschmutzung verantwortlich (UNEP 2016, 21).
Um die Schadstoffeinträge und Treibhausgasemissionen sowie die Zerstörung von Ökosystemen zu vermeiden bzw. zu vermindern, ist es notwendig die Konsum- und Produktionsmuster grundlegend umzustellen um so nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten (Die Bundesregierung 2021, 286). Um allen Menschen sichere und nahrhafte Lebensmittel in angemessenen Mengen zur Verfügung zu stellen, müssen dafür die natürlichen Ressourcen nachhaltig bewirtschaftet und effizient genutzt werden. Es braucht daher „ressourcenschonende“ Lebensmittelsysteme, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen (UNEP 2016, 10).
Diese 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wurden 2016 von den Vereinten Nationen verabschiedet, um den beschriebenen und weiteren von den Menschen verursachten Notständen entgegenzuwirken und zukünftiges Leben auf der Erde zu sichern (United Nations 2017). Im Ziel 12, das die Sicherung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster berücksichtigt, ist ein Unterziel, den Konsum umwelt- und sozialverträglich zu gestalten (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2021). Dies soll unter anderem mit dem Marktanteil von Produkten mit staatlichen Umweltzeichen gemessen werden (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2021). Laut deutscher Nachhaltigkeitsstrategie ist es das Ziel der Bundesregierung den Marktanteil bis zum Jahr 2030 auf 34% zu erhöhen (Vgl. Abbildung 1). Die aktuellen Daten zur Messung dieses Wertes sind aus dem Jahr 2018 und betragen 7,5%. Nach derzeitigen Hochrechnungen würde das Ziel bei einer Fortsetzung der gemessenen Entwicklung um mehr als 20% verfehlt werden (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2021, 100).
Um dem entgegenzuwirken, wird diese Herausforderung politisch unter anderem vom Nationalen Programm für Nachhaltigen Konsum begleitet, in dem Ernährung eins der besonders relevanten Bedürfnisfelder darstellt (Seo 2020, 12). Entgegen dem Durchschnittswert über alle Produktgruppen, zu denen u.a. auch Autos oder Wasch- und Reinigungsmittel zählen, kann für Bio-Lebensmittel nämlich nur ein Marktanteil von aktuell 6,4% gemessen werden (BÖLW 2021, 24). Hierzu zählen das verpflichtende europäische Bio-Siegel und das deutsche Bio-Siegel (BMUV 2019, 56). Das definierte Ziel in dieser Produktkategorie von 20% Marktanteil ist aus ökologischer Perspektive zwar nicht ambitioniert, jedoch wird trotz des, vor allem seit Beginn des Lockdowns, stark steigenden Umsatzes bei Bio-Frischeprodukten die Erreichung als unwahrscheinlich betrachtet. Dies gilt zumindest solange keine spürbare politische Ambitionssteigerung erfolgt und ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden (BÖLW 2021, 35). Hierzu zählt unter anderem eine stärkere Sensibilisierung und Aufklärung potenzieller Kundschaft (Reusch 2021, 11). Im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum werden deshalb in einem ressortübergreifendem Programm Maßnahmen entwickelt, die den Wandel zu einem nachhaltigen Lebensstil in Deutschland fördern sollen (Die Bundesregierung 2021, 63). Unter anderem ist das Ziel formuliert worden, VerbraucherInnen Informationen bereitzustellen, die ihnen helfen sollen, nachhaltige Produkte besser zu erkennen und die „bei der Herstellung entstehenden Umweltbelastungen in ihre Kaufentscheidung einzubeziehen“ (Die Bundesregierung 2021, 63).
Da professionelles Greenwashing im Laufe der Zeit dazu geführt hat, dass eine Grundskepsis gegenüber „grünen“ Produkten herrscht, ist es notwendig ein umfassendes System glaubwürdiger und transparenter Siegel und Label zur Verfügung zu stellen (Platschke 2020, 22; Die Bundesregierung 2021, 289). Nachhaltigkeit muss also auch von Unternehmen als mehr als nur ein Marketing-Tool verstanden werden um ehrliche, langfristige Beziehungen zu ihren KundInnen aufzubauen, die das gleiche Ziel verfolgen (Platschke 2020, 11). Das staatliche Biosiegel beispielsweise, das im Indikator von SDG 12 gemessen und auf Produkten als Zeichen ihrer Nachhaltigkeit genutzt wird, sorgt dafür, dass KundInnen diese Marke als umweltfreundlicher und gesünder wahrnehmen und die Kaufbereitschaft gesteigert wird (Spörrle und Bekk 2015, 286).
Aber was heißt denn nun eigentlich Bio? Bio(logisch) und öko(logisch) sind seit 1993 geschützte Begriffe. Alle Produkte, die mit diesen Begriffen bzw. dem europäischen oder dem deutschen Biosiegel versehen sind, unterliegen den Anforderungen der EG-Ökoverordnung. „Aus kontrolliertem Anbau“, „nachhaltig“ oder „natürlich“ sind hingegen keine geschützten Begriffe und die Anforderungen können von den jeweiligen Produzenten beliebig bestimmt werden (BÖLW 2022).
Zu den Anforderungen der EG-Ökoverordnung zählen unter anderem, dass Pflanzen in echtem Boden wachsen müssen, Schnäbel oder Ringelschwänze nicht abgetrennt werden dürfen und nur ein geringer Anteil an Zusatzstoffen zugelassen sind. Für eine detaillierte Übersicht können die Informationen des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft herangezogen werden. Um zusätzlich eine Übersicht über weitere Siegel in der Lebensmittelbranche zu erhalten, können diverse Plattformen genutzt werden. Hierzu zählen unter anderem der nachhaltige Warenkob, oder label-online.de. Das von der Bundesregierung initiierte Projekt Siegelklarheit hat aktuell noch keine Informationen zu Siegeln im Lebensmittelbereich. Zusätzlich zu den Informationen, werden die Siegel an dieser Stelle auch nach unterschiedlichen Kriterien bewertet, um sie vergleichbar zu machen.
Und was kannst Du jetzt konkret tun?
Julia Kirchhoff, Digistainable 2019
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