Nachhaltigkeit und Wirtschaft schließen sich auf den ersten Blick aus. Während es bei Nachhaltigkeit häufig um Verzicht geht, ist unsere kapitalistische Wirtschaft vom Streben nach Konsum, Gewinn- und Nutzenmaximierung geprägt. Ein Konzept, dass eine Brücke zwischen beiden Welten herstellt und damit eine Anlaufstelle für viele gesellschaftliche Fragen bietet, ist die Bewegung des Social Entrepreneurships.
Nachhaltigkeit und Wirtschaft – wie passt das zusammen?
Wenn man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, beginnt man schnell, bestehende Wirtschaftsmechanismen zu hinterfragen. Das Streben nach stetigem Wachstum und steigende Erträge ist für Unternehmen entscheidend, um überlebensfähig zu sein und im Wettbewerb zu bestehen. Es geschieht jedoch häufig zulasten der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Unternehmen verschmutzen unsere Umwelt, Ressourcen werden schneller verbraucht, als sie regenerieren können und soziale Missstände und Ungleichheiten werden z.B. durch unfaire Bezahlung, weiter ausgebaut. Im Vordergrund stehen die Effizienz und Nutzenmaximierung.
Gleichzeitig versetzt uns der durch unsere Wirtschaft geschaffene Wohlstand in die Lage, uns mit eben diesen Themen zu beschäftigen. Bei uns geht es nichtmehr um das Überleben und die Nahrungsbeschaffung. Stattdessen haben wir den Luxus, uns mit uns selbst und den Konsequenzen unseres Handelns auseinander setzten zu können – und angesichts der teilweisen prekären Lage, in die wir uns gebracht haben, auch die Pflicht dazu, betrachtet man z.B. den Klimawandel. Als Folge dessen werden Umweltprobleme zunehmend thematisiert und rücken in das Umwelt- und Konsumbewusstsein der Gesellschaft.
Welche Rolle spielt dabei das Social Entreprenuership?
Eine Brücke zwischen der klassischen Wirtschaftswelten und den Umweltschützern und Gesellschaftsaktivisten bildet die Bewegung des Social Entrepreneurship. Darin setzen es sich Gründer oder Unternehmen zum Ziel, gesellschaftliche Probleme unternehmerisch anzugehen und zu lösen.
Im Rahmen einer Forschungsarbeit hat sich mein Projektteam mit dem Thema Social Entrepreneurship auseinandergesetzt. Im Fokus steht dabei das Thema Wirkungsmessung. Diese hilft den Unternehmen, ihren Impact auf die Umwelt zu analysieren und so gezielt Maßnahmen zu ergreifen, diesen zu verbessern. Sei es nun, negative Auswirkungen, wie z.B. CO2 Emissionen zu minimieren, oder positive Wirkungen zu maximieren. Dies kann auch bedeuten, andere Marktteilnehmer zu ermöglichen, Methoden oder Geschäftskonzepte zu kopieren oder zu adaptieren, sodass diese ebenfalls bestehenden Missstände entgegenwirken.
Die aktuelle Fachliteratur beschäftigt sich häufig mit dem wie, da die Wirkungsmessung ein sehr komplexes Konstrukt ist und viele, teilweise unbekannte und nicht eindeutige Wirkungszusammenhänge bestehen. Auch die mit der Wirkungsmessung einhergehenden Herausforderungen, wie z.B. die Methodenauswahl oder Ressourcenprobleme werden viel beleuchtet und Lösungsansätze gesucht.
In unserer Forschungsarbeit haben wir verschiedene Unternehmen nach den positiven Auswirkungen der Wirkungsmessung befragt und wie sie davon profitieren. Dabei konnten viele spannende Erkenntnisse generiert werden. Die Ergebnisse des Projektes haben wir in einem Whitepaper zusammengefasst und mit der Holistic Foundation veröffentlicht. Neben grundlegende Informationen zum Thema Wirkungsmessung sind darin die wichtigsten Tipps zur Implementierung zu finden. Bei wem nun das Interesse geweckt wurde: Hier geht es zum Link.
Was macht die Menschen aus, die in den Social Enterprises arbeiten?
Das spannendsten an diesem Projekt waren die Interviews mit den jeweiligen Gründern oder Mitarbeitern der For-Profit Social Enterprises selber. Wir haben mit insgesamt sieben inspirierenden Personen aus sechs Unternehmen gesprochen, die in unterschiedlichen Branchen tätig sind.
Das alte Öko-Vorurteil von einer Person mit ungewaschenen Haaren, abgelatschten Sandalen und kratziger Bio-Kleidung könnte dabei nicht ferner sein. Vielmehr sind uns sehr motivierte, aufgeschlossene und moderne junge Menschen begegnet. Sie alle vereint der Wille zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen. Die Selbstreflexion des eigenen Handelns und der Wunsch nach stetiger Verbesserung und sinnstiftender Arbeit steht für sie im Zentrum.
Im Rahmen der Interviews haben wir tolle Einblicke in unterschiedliche Geschäftsmodelle erhalten und festgestellt, wie viel Anstrengungen und welche Vielschichtigkeit und Komplexität hinter den Unternehmungen stehen. Sie alle haben kleinere oder größere Herausforderungen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Was die Social Enterprises aber von anderen Marktteilnehmern unterscheidet ist, dass sie sich mit den unbequemen Fragen auseinandersetzten und den Mut und die Entschlossenheit aufbringen, diese Themen anzugehen.
Welche Chancen bietet die Bewegung des Social Entrepreneurship?
Ich persönlich sehe in dem Konzept des Social Entrepreneurships eine ganz neue Chance, unsere Arbeitswelt zu revolutionieren. Angefangen bei dem Impact, den unsere Wirtschaft auf die Umwelt und Gesellschaft hat, bis hin zur Einstellung, welche Aufgabe und welchen Stellenwert die Arbeit selbst in unserem Leben einnimmt.
Der Kapitalismus hat uns viel Wohlstand gebracht. Nun gilt es aber, statt nach noch mehr Konsum und Reichtümern zu streben, diesen Wohlstand mit anderen zu teilen. Wir müssen unser Wirtschaftssystem dahingehend verändern und es nutzen, dass Umwelt und Gesellschaft gleichermaßen davon profitieren. Im Gegenzug dafür erhalten wir ein Geschenk was viel besser ist als Konsum: Das Gefühl, einer wirklich sinnstiftenden Aufgabe nachzugehen. Ganz nach dem Ansatz des Social Entrepreneurship.
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Anna Zeller, Digistainable 2019