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Das Duett zwischen Digitaler Transformation und Nachhaltigkeit

Machine Learning im Demand Planning – der heilige Gral?

Torge

Demand Planning: Machine Learning im Fokus

Seit dem Boom von ChatGPT ist LinkedIn voll von Beiträgen über Machine Learning (ML) Anwendungen und wie diese im Unternehmenskontext gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Oftmals lesen sich diese Beiträge sehr positiv und die Schlussfolgerung daraus: ML, in welcher Form auch immer, ist ein No-Brainer für jedes Unternehmen. Und ja, in vielen Bereichen erzielen ML-Lösungen gute Ergebnisse und auch ich habe mich im Zuge eines Lehrmoduls mit der Durchführung eines ML-Projektes in einem Unternehmen, speziell im Demand Planning beschäftigt. Und meine Erkenntnisse möchte ich gerne mit euch teilen.

Zuerst: Welche Form von ML-Anwendung habe ich mir angeschaut? Typischerweise eignen sich Recurrent Neural Networks, kurz RNNs, für die Aufgabe, Zeitreihen zu analysieren und zukünftige Bedarfe vorherzusagen. Wer die genaueren technischen Hintergründe verstehen möchte, empfehle ich folgenden Blogartikel. Kurz gesagt: Im Gegensatz zu Feed Foreward Neural Networks speichern RNNs die Outputs und weitere Informationen der vorherigen Prozessschritte.

Und welche Entscheidungen muss ein Unternehmen treffen? Eine zentrale Entscheidung beim Einsatz von ML ist die Make-or-Buy Entscheidung. Oftmals nutzen Unternehmen eine integrative Lösung für die Abbildung des Sales & Operations Planning Prozesses, was angesichts der engen Verzahnung von Demand Planning, Sourcing und Production Planning sinnvoll ist. Einzelne Anbieter integrieren schon heute ML-Algorithmen in ihr Forecast-Modul. Dabei ist aber fraglich, inwieweit eine „one size fits all“-Lösung den vorliegenden Marktumständen und Wünschen gerecht wird. Bei der Eigenentwicklung kommen andere Probleme auf das Unternehmen zu. Inwieweit lässt sich eine Lösung ohne hohen Aufwand in die bisherige IT-Landschaft integriert? Wer programmiert und trainiert die Lösung? Welche Person aus dem Fachbereich ist in der Lage, mit der Lösung umzugehen und was passiert, wenn Wissensträger das Unternehmen verlassen? Eine weitere Voraussetzung muss für beide Fälle erfüllt sein: Besitze ich als Unternehmen genug Trainingsdaten, um die ML-Lösung auf meine Bedarfsstrukturen anzupassen? Dabei ist vor allem die Granularität der Daten entscheidend. Wenn ich einen monatlichen Forecast produziere, besitze ich über 2 Jahre lediglich 24 Datenpunkte je Artikel oder Portfolio, mit welcher ich das RNN trainieren kann. Hier muss eine Kosten-Nutzen-Entscheidung zwischen ML-Anwendung und statistischen Methoden wie (S)ARIMA, linearer Regression etc. getroffen werden. Typischerweise gilt: Je mehr Datenpunkte, desto besser ist die ML-Anwendung zu trainieren und desto bessere Vorhersagen wird sie treffen können. Wenn allerdings nur sehr wenige Datenpunkte zur Verfügung stehen, kann ein klassisches statistisches Verfahren bei weniger Aufwand möglicherweise ein besseres Ergebnis liefern. Sollten zudem nur Absatzzahlen vorliegen, ist zudem die Frage, ob hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. ML-Lösungen bieten die Optionen weitere Dateninputs wie pandemische Fallzahlen, Wetterdaten, Marketingkampagnen von Wettbewerbern in den Forecast zu integrieren. Wenn all diese Daten nicht und dazu noch in einer nicht ausreichenden Granularität vorliegen, ist es fraglich, ob eine ML-Lösung für das Demand Planning tatsächlich geeignet ist.

 

Dieser kurze Ausschnitt zeigt bereits, dass die Integration einer ML-Lösung nicht so trivial ist, wie es sich viele Unternehmen wünschen. Bevor aus Prinzip ein ML-Projekt gemacht wird, gilt es die entsprechenden Überlegungen anzustellen: Welches Problem möchte ich konkret mit ML lösen? Welchen Mehrwert bietet ein ML im Vergleich zu anderen Verfahren? Besitzt die Organisation das Wissen oder muss es eingekauft werden? Liegen diverse Daten in der ausreichenden Granularität zur Verfügung?

Torge Stahl

Machine Learning im Demand Planning – der heilige Gral?