Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Ist sie aber auch auf dem Wunschzettel von Jobsuchenden ganz oben?
Im Rahmen unseres Forschungsprojekts im zweiten Semester sind wir dieser Frage systematisch nachgegangen. Mithilfe einer adaptiven Conjoint-Analyse wollten wir herausfinden, wie Bewerber:innen den Faktor „Nachhaltigkeit“ im Vergleich zu klassischen Auswahlkriterien wie Gehalt, Aufstiegschancen oder Arbeitszeitflexibilität gewichten. Unsere zentrale Forschungsfrage lautete: Wie viel ist Menschen Nachhaltigkeit wert? Und wie viel würden sie dafür beim Gehalt abziehen?
Die Grundlage unserer Untersuchung bildete eine umfangreiche Literaturrecherche zu Arbeitgeberattraktivität, Employer Branding und nachhaltigkeitsbezogenen Faktoren. Auf Basis dessen wählten wir neun zentrale Attribute aus, darunter auch drei spezifisch nachhaltige: Chancengleichheit, klimarelevante Emissionen und Nachhaltigkeit der Produkte und Dienstleistungen. Befragt wurden 103 Personen im erwerbsfähigen Alter, wobei die Mehrheit zwischen 19 und 28 Jahre alt war.
Das wichtigste Erkenntnis war eindeutig und auch nicht sonderlich überraschend: Gehalt ist mit Abstand der entscheidende Faktor bei der Arbeitgeberwahl. Mit einer relativen Wichtigkeit von 21 % lag es deutlich vor allen anderen Attributen. An zweiter Stelle rangierte die Flexibilität der Arbeitszeit, gefolgt von Aufstiegsmöglichkeiten. Die Nachhaltigkeitsattribute landeten im Mittelfeld: Chancengleichheit (11 %) und nachhaltige Innovationen (10 %) schnitten relativ gut ab, klimarelevante Emissionen hingegen spielten mit 7 % nur eine untergeordnete Rolle.
Besonders aufschlussreich wurde es, als wir die Ergebnisse in konkrete Geldwerte übersetzten: Beispielsweise wären die Teilnehmenden im Durchschnitt bereit, rund 2.000 Euro brutto weniger zu verdienen, wenn ein Unternehmen aktiv Chancengleichheit fördert oder nachhaltig produziert. Das überrascht, denn es zeigt, dass Nachhaltigkeit zwar nicht die oberste Priorität hat, aber durchaus einen monetären Wert besitzt. Dazu sei aber gesagt, dass es sich hierbei um eine indirekte Befragung und eine Umrechnung des relativen Nutzens in exakte Geldwerte handelt und diese in letzter Konsequenz sicherlich nicht frei von Fehlinterpretationen ist.
Auch zwischen den Geschlechtern traten Unterschiede zutage: Frauen legten mehr Wert auf Chancengleichheit und flexible Arbeitszeiten, Männer hingegen auf Aufstiegschancen und nachhaltige Produkte. Interessanterweise war der Wunsch nach Nachhaltigkeit bei Personen mit niedrigem Einkommen sogar höher als bei Besserverdienenden.
Unser Fazit: Nachhaltigkeit als Employer-Branding-Instrument funktioniert, aber nur im Zusammenspiel mit fairer Bezahlung und echtem Entwicklungspotenzial. Der „Purpose“ allein reicht nicht.
Das Forschungsprojekt hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit nicht nur ideell, sondern auch strategisch zu denken. Der „war for talents“ wird nicht über Hochglanzkampagnen gewonnen, sondern über glaubwürdiges Handeln. Und das darf, wie unsere Daten zeigen, auch etwas kosten.
Autor: Lennart Scherbath, DTS23